6.2
Regeln bei Interviews
Falls dies nicht schon vorab im Rahmen des Recherchegesprächs erfolgt, muss die oder der Interviewte vor dem Interview folgende Informationen erhalten (soweit bekannt):
- Wo das Interview publiziert wird
- Dass das Interview auch für Social Media verwendet werden kann
- Welche Stossrichtung der Beitrag hat
- Wie das Interview oder Zitate daraus voraussichtlich eingebettet werden (siehe 9.6 Recherchegespräch)
- Im Sinne der Transparenz wird der oder dem Interviewten auf Wunsch mitgeteilt, welche anderen Positionen – nicht aber konkret welche Personen – im Beitrag vorkommen (falls zum Zeitpunkt der Recherche bekannt).
Zentral ist, dass die interviewte Person zu den wesentlichen Punkten Stellung nehmen kann. Werden mehrere Versionen aufgezeichnet, sind Abmachungen darüber, welche Version im Beitrag verwendet wird, einzuhalten.
Die Kürzung von Gesprächen unterliegt den üblichen journalistischen Regeln der Fairness. Ein Gespräch ist so zu kürzen, dass kritische Zuschauerinnen und Zuhörer die gekürzte Version als faire Zusammenfassung der längeren Version beurteilen würden. Die Autorin oder der Autor soll die Stellen auswählen, in denen sich die oder der Befragte zum zentralen Sachverhalt am klarsten äussert (Best Argument).
In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass der interviewten Person bewusst ist, dass nur Ausschnitte des Gesprächs verwendet werden. Verlangt der oder die Interviewte, über die ausgewählten Interviewteile orientiert zu werden, kann dies schriftlich oder telefonisch erfolgen. Eine interviewte Person hat keinen Anspruch darauf, dass ihr der ganze Beitrag vorab präsentiert wird. Nur in Ausnahmefällen können wir eine Präsentation des ganzen Beitrags zusichern (beispielsweise bei einem besonders delikaten Porträt, das ein spezielles Vertrauensverhältnis voraussetzt). Wichtig ist aber, dass auch dann die oder der Interviewte nicht über den Beitragstext und die Auswahl der Quotes mitentscheiden kann. Diese sind nicht verhandelbar.
Beim nachträglichen Antexten von Interviewfragen darf die ursprüngliche Fragestellung gestrafft, aber nicht verfälscht werden. Ergeben sich zwischen Interview- und Publikationstermin wesentliche neue Aspekte, muss die interviewte Person noch einmal Stellung nehmen können.
Version: 2024.1.3 18.11.2024